Die Kirche in Holzhausen

(Mit einem Klick auf ein Bild erhält man eine Großansicht.)


Startseite

Holzhausen und seine Bonifatius-Kirche
Geschichtliche Zusammenfassung von Oskar Breiding
(aus der Festschrift "100 Jahre Kirche Holzhausen")


Die alte Kirche, die 1890 abgebrochen wurde, führte nach der überlieferang den Namen Bonifatiuskirche. Im Zusammenhang damit steht ein beschrifteter Sandstein, der über dem Haupteingang eingemauert war. Der Stein, der auch im neuen Gotteshaus seinen Platz gefunden hat - im Fußbodenbelag vor der linken Bankreihe des Schiffes, vom Turm aus gesehen -, trägt die eingemeißelte Inschrift: "ANNO DNI 750 BAWET S BONIFACIVS". Danach wäre die Kirche im Jahre 750, als Winfried Bonifatius die Donareiche bei Geismar fällte, entstanden. Die Inschrift entspricht einer überlieferung, geschichtliche Belege für einen Kirchenbau durch Bonifatius fehlen jedoch. Immerhin findet der Ort bereits im Winfriedschen Zeitalter Erwähnung. Beispielsweise wird auch die Kirche im nahen Berge schon 782 genannt. Ein wichtiges Glied in der Beweiskette könnte übrigens die bauliche Beschaffenheit des Kirchengebäudes sein. Der linke Teil, von der Straße aus betrachtet, war zweifelsohne mehr als 1000 Jahre alt. Er hob sich im Baustil unverkennbar von dem Mittelstück des Bauwerks, das wahrscheinlich erst im Wege der Erweiterung seine Gestalt gewonnen hatte und einer späteren Bauperiode angehörte, ab. Das gilt auch von dem Turm. Auch darf nicht übersehen werden, daß sich Altar, Kanzel und Orgel auf einer Seite des Kircheninneren befanden. Diese Zusammendrängung, die sonst nicht üblich ist, deutet ebenfalls auf das Vorhandensein eines früheren Gotteshauses kleinerer Art hin, das alles auf engem Raum vereinigen mußte. Der Stein mit der Inschrift hat fraglos bereits die ursprüngliche Kleinkirche geziert und bei ihrer Vergrößerung nach rechts den Standort gewechselt.

left Der älteste Teil der Kirche, der Altar, Kanzel und Orgel umschloß, stellte einen Halbkreis dar. Die Mauerwände bestanden aus Basaltstein und waren auf der Außenseite mit Stützen aus gleichem Gestein versehen. Der Mittelbau enthielt das Schiff. An seine Westseite lehnte sich der viereckige Turm, der Massigkeit und einen gedrungenen Helm zeigte, an. In das Innere der Kirche führten zwei Türen, die beide auf der Längsseite angeordnet waren. Die Haupttür erschloß das Schiff mit dem Durchgang zum Turm. Der Nebentür, die links davon zu finden war, waren einige ziemlich rohe Treppenstufen vorgelagert. Sie bildete den Zugang zur Orgel und zur Empore, zu denen man natürlich auch durch den Haupteingang gelangen konnte. Das Innere der Kirche war von der Empore beherrscht, die sich auf einer Längsseite, der Straßenseite, und einer Schmalseite, der Turmseite, hinzog. Zwischen der Empore und der Orgel befand sich ein sogenannter Kirchenstand, eine Holzlaube inmitten der Kirche, die mehrere Sitzplätze und eine Zugangstür enthielt. Sie stand der Familie des Rittergutsbesitzers in Holzhausen zur Verfügung, die das Benutzungsrecht wohl durch eine Geldleistung erworben hatte. Die Einrichtung von persönlichen, von Sonderplätzen im Gotteshaus, die noch heute in alten Kirchen - z.B. Reichensachsen für die Familie von Eschwege - anzutreffen ist, wurzelte in den Sitten und Anschauungen einer überwundenen Zeit. Allein auch das Schiff wartete mit derartigen Besonderheiten auf. An den inneren Kopfenden mancher Bänke in der Turmgegend las man die Namen von Familien, die sicher auch Geld gestiftet hatten. ältere Personen entsinnen sich, daß z.B. an einer Bank der Name Heinzemann stand. Im Turminneren führte an der Wand eine hohe, halsbrecherische Holztreppe zum Glockenboden mit den drei Bronzeglocken, von denen man die kleinste als "Bimmel" bezeichnete. Ein Zwischenboden fehlte, so daß der Raum zwischen Fußboden und Glockenboden frei war. Das Läuten wurde vom Fußboden aus besorgt, auf den die Glockenstricke herabhingen.

Die Kirche war nicht beheizbar. Aus alter Gewohnheit harrten die Besucher des Gottesdienstes von Holzhausen und Reibehausen selbst bei grimmigster Kälte die ganze Zeit aus. Die Beleuchtung, die lediglich für den ersten Weihnachtstag - Beginn der Feier um 6 Uhr morgens - erforderlich war, wurde durch Aufstellung einer großen Anzahl von weißen Talgkerzen erzielt, die in einem Waschkorb her- und wegbefördert wurden. Das Holzwerk der Brüstungen und dergleichen, das roh gezimmert war, gestattete diese Behandlung. Für die Dorfjungen bot das alte Kirchlein mit seinem Halbdunkel viel Geheimnisvolles. Wenn sie einmal beim Läuten geholfen hatten, benutzten sie nach Jungenart mitunter die Gelegenheit, zwischen den Bankreihen des Schiffes nach Kupferstücken zu suchen, die beim Einwerfen in dem durchgereichten Klingelbeutel vorbeigefallen waren. Dabei kamen bisweilen Geldmünzen zum Vorschein, die aus althessischer Zeit stammten, wohl hundert oder mehrere Jahre in dem Staube gelegen und ihre Gültigkeit längst verloren hatten. Während dieser emsigen Tätigkeit wurden die Sucher plötzlich arg erschreckt. Die bejahrte Turmuhr holte mit rasselndem Geräusch zum Stundenschlagen aus.

Aus dem Jahre 1872 wird berichtet: "Die Kirche in Holzhausen ist zu klein, der Totenhof daselbst 1838 außerhalb des Dorfes gelegt". Pfarrer Lohrmann (1880-1908) schilderte sie so: "Dieselbe war eng und dumpfig. Sie lag eine Stufe niedriger als der Kirchhof, so daß bei schnellem Schmelzen des Schnees oder lang andauerndem Regenwetter in dem Mittelgang des Gotteshauses Wasser sich sammelte. Die drei Fenster befanden sich auf der Südseite und in dem Chor, der so eng war, daß zwischen dem Altar und der Seitenbank nur eine Person hindurchgehen konnte. Die Frauenstände standen auf dem blanken Erdboden. Die Mauern der Kirche wie des Turms waren vielfach gerissen und geflickt".

Nach dem Gutachten des Bauinspektors von der Berken aus dem Jahre 1888 war der Glockenturm aus Bruchstein gebaut, mit eisernen Bändern geschützt. "Der einschiffige Anbau war sehr klein und baufällig, die Mauer vielfach geflickt und nicht schön anzusehen, die Emporen sehr leicht gebaut". Ein Reparatur wurde für unangebracht gehalten.

Ihre Erbauung wird in die letzten Jahre des Dreißigjährigen Krieges zu verlegen sein. Die in der Pfarreirepositur ab 1643 vorhandenen Kirchenrechnungen geben einige Fingerzeige: 1643 wurden auf dem Kirchendach einige Ziegeln eingezogen, eine Glocke repariert, 1644 ein Lehnschemel vor den Altar angeschafft, 1647 der verbrannte Zaun um den Kirchhof verfertigt, 1649 ein Lehnstuhl vor den Tisch (Altar) für den Pfarrer "weilen noch keine Cantzel fürhanden", der Kirchhof mit Pforten und Zaun versehen, um das Vieh abzuhalten; 1650 wies der Stadtförster einige Bäume an, "so zum Kirchbau verbraucht werden"; jetzt erhielt die Kirche auch eine Kanzel; 1652 zahlte der Kirchenkasten 5 Albus 6 Heller "dem Meister Hans Schmit, eine Bank, dar-auff die Knaben im Chor sitzen, und Spundt in den Tisch da hie bevor das Taufbecken gestanden, zu machen"; damals stiftete Jost Müller ein Tuch auf die Kanzel und ein besonderer "Gevattern- und Opferfrauen stand" ward gebaut; 1677 nennt das Inventar 3 Glocken: eine größere von 6, eine mittlere von 4, eine kleinere von etwa 2 Zentnern; einen Klingelbeutel mit Cymbel, 1 Kelch mit silbernem und vergoldetem Mundstück und messingenem Fuß und einer ebensolchen Patene, 2 Halbkannen von Zinn, 1 großen und kleinen Zinn-Napf, 1 altes schwarzes Tuch auf den Tisch, 1 gebildet Tischtuch für die Kommunion, 1 gebildete und 1 Spitzen-Serviette, 1 einfaches weißes Tuch auf den Tisch, 1 schwarzes Wollentuch für die Kanzel.

Die Rechnungen der nächsten Jahre zeigen, wie man ständig an der Ausgestaltung des Kirchleins arbeitete; um nur noch einiges zu nennen: 1681 kam ein Fußbrett auf den Stein vor dem Altar, 1685 erhielt endlich der Pfarrer, der bis zu diesem Zeitpunkt vor dem Altar auf einem Stuhl sitzen mußte, eine besondere Pfarrbank und 1725 kündete eine neue Schlaguhr die Stunden; dem Pfarrer aber zeigte der ablaufende Sand in dem Stundenglas (1741), wie viel oder wenig Zeit noch für die Predigt war.

1725 wird die Kirche mit einer Orgel ausgestattet, und zwar verdankt sie diese dem Schulmeister Joh. George Lohrey, der dem "treuen und fleißen Schuldiener" Joh. George Hartmann, gestorben 13.8.1734 im Alter von 54 Jahren nach 24jähriger Dienstzeit, in Holzhausen folgte. Lohrey stammte von Dickershausen, war 14 Jahre in Seigertshausen und 27 Jahre in Holzhausen. Er starb am 30.10.1761 59 Jahre 6 Monate 3 Wochen alt. Das Kirchenbuch vermerkt, "hat auch die dasige Orgel selbst verfertigt". Ein Gutachten von 1879 nannte sie "sehr gut gebaut". Die Platzfrage war zufolge dem Ständebuch etwa so geregelt: hinter dem Altar und Pfarrersitz waren Männerstände, ebenso auf der Empore über der Treppe, gegenüber der Kanzel, von der Orgel bis an die Treppe und auf der Fensterseite auf der Südseite nach den Fenstern zu, stand zuvorderst eine Vorbank für die Gevattern, unter den Emporen, zwischen den beiden Türen und hinter der obersten Tür, im ganzen 220 Stände.

Sie reichten in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts nicht mehr. Seit 1879 trat die Frage eines Kirchenneubaues immer stärker hervor. Nur der Umstand, daß die Gemeinde durch die Verkoppelung finanziell sehr in Anspruch genommen war, bewirkte, daß es doch fast ein Jahrzehnt währte, bis er in Angriff genommen wurde.

Ende 1889 wurden die Arbeiten ausgeboten; im folgenden Jahr ging's ans Werk. Am 3. März 1890 ward die alte Kirche abgebrochen. Die Kasseler Allgemeine Zeitung meldete unterm 20.3.: "Bei den Fundamentierungsarbeiten zum Neubau der Kirche wurden vor einigen Tagen zahlreiche Menschenschädel, Beinknochen usw. bloßgelegt. Die unregelmäßige Lagerung und die Menge auf einem verhältnismäßig kleinen Raum läßt vermuten, daß man schon in früherer Zeit beim Umbau der Kirche auf Gräber stieß, die darin enthaltenen Knochenreste sammelte und in einer gemeinsamen Grube, an dem nun aufgefundenen Orte, barg. In einer Mauerritze wurde auch ein außerordentlich großer lederner Stulphandschuh gefunden, enthaltend einen Brief vom 1. Februar 1729."

Neben der Orgel ist als bewundernswertestes Stück der alten Kirche in die neue ein Stein übergegangen, der "über der dem Turm zunächst gelegenen Tür" eingelassen war. Er trägt die Inschrift A(N)NO D(0MI)NI 750 BAWETS. BONIFACIUS. Diese Inschrift wird eine Ortsüberlieferung festhalten, die auf gutem Grunde beruhen kann. Ein altes Güterverzeichnis (Zeitschrift des hess. G.-V. 10, 189 ff.) zeigt, daß das Hersfelder Kloster unter Lullus dort Güter besaß, und - vorausgesetzt, daß der Mönch Eberhard nicht wie sonst gelegentlich gefälscht hat, so haben Megenrat und Megenbalt dem heiligen Bonifatius in Mardorf und Holzhausen ihr Eigentum und die Gutsleute geschenkt und ein Graf Ditterich u.a. seine Güter in Holzhausen.